Wir werden automobil

Kurz vor Pfingsten kaufte mein Vater ein Auto, einen DKW 1000 S in Weiß. Bis dahin war er mit dem Moped zur Arbeit gefahren, und das bei Wind und Wetter. Aber damit war jetzt Schluss. Stolz führte er uns seine nigelnagelneue Limousine vor und erklärte uns den Zweitakter mit Lenkradschaltung, der in immer gleichen Intervallen von laut nach leise tuckerte, pröttkerte, wie mein Vater es nannte. Die technischen Finessen interessierten allemal meine Brüder, für meine Mutter und mich waren das aber Nebensächlichkeiten. Für uns zählten ab sofort die Ausflüge am Wochenende ins Sauerland und manchmal auch weiter an den Rhein oder an die Mosel, stets verbunden mit einer Einkehr irgendwo in einem Gasthaus. Bislang hatten wir das eine oder andere Mal eine Fahrt mit dem Omnibus oder ganz selten mit der Eisenbahn gemacht. Bei diesen Touren wurde meiner Mutter regelmäßig schlecht, wodurch die Reisestimmung insgesamt getrübt wurde. „Jetzt sind wir automobil“, sagte mein Vater und meine Mutter saß selig auf dem Beifahrersitz, von Übelkeit keine Spur mehr.

Allerdings gab es ein kleines bauliches Problem. Der DKW war viel zu lang für unsere kleine Garage und meine Brüder und mein Vater mussten einen Durchbruch zu unserem Vorratskeller schlagen. Für lange Zeit stand die Schnauze unseres feinen Wagens zusammen mit Kartoffellager, Einkochgläsern, und aufgesetzten Likören, bis meine Brüder und mein Vater das Riesenloch zumauerten. Der Vorratskeller büßte durch diese Baumaßnahme mächtig an Platz ein, aber das störte niemanden. Auch nicht der Benzingeruch, der weiterhin in der Luft hing.