Schon Wochen vorher freute ich mich auf meinen Geburtstag, obgleich ich mich gar nicht recht erinnern kann, wann ich zum ersten Mal richtig Geburtstag gefeiert habe. Ich meine, es war nachdem ich in die Schule gekommen war, bis dahin wurde nur mein Namenstag gefeiert. Dann backte meine Mutter Kuchen und meine Patentanten und -onkel kamen zum Gratulieren. Ich war der Mittelpunkt, alle waren mir zugetan und ich fühlte mich wie im Himmel. Ich spürte, dass dieser Tag für meine Tanten und Onkel mindestens genauso schön war wie für mich. Sie tranken einen Likör auf mein Wohl, riefen: „Vivat, Vivat zum Namenstag!“ und schaufelten sich dicke Tortenstücke auf ihre Teller. Und wenn ich am Abend schon längst im Bett lag, saßen die Tanten und Onkel noch immer mit meinen Eltern zusammen und ich hörte sie erzählen und lachen und fühlte mich unter meinem Federbett mit ihnen so ganz und gar verbunden und behütet.
Aber mit meiner Einschulung verlor der Namenstag an Bedeutung – nicht für meine Eltern aber für mich. Alle meine Schulfreundinnen feierten Geburtstag und das wollte ich auch. Meine Mutter war einsichtig, ich solle da nicht zurückstehen, so meinte sie, und da mein Namenstag und Geburtstag im Oktober sind, konnte sie sich schnell mit dieser Veränderung anfreunden.
Meine Mutter backte weiterhin Kuchen und die Patentanten und -onkel kamen auch noch, aber jetzt saßen immer zwei oder drei Schulfreundinnen mit am Geburtstagstisch.
Die Geschenke waren überschaubar: Taschentücher und Unterwäsche von den Tanten und Onkeln, Glanzbilder und Schokolade von den Freundinnen. Meine Mutter hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mir beim Kaufmann in unserer Straße eine Pappschale mit Obst füllen zu lassen, an dieser Gewohnheit hielt sie bis zu meinem vierzehnten Geburtstag fest, und dazu gab es ein Buch. Aber zu meinem neunten Geburtstag hatte sich meine Mutter eine echte Überraschung überlegt: Neben der Obstschale und neben dem Buch lag noch ein Springseil mit roten, gedrechselten Holzgriffen. Ich traute meinen Augen nicht, hatte ich doch genau dieses Seil in einem Schaufenster gesehen und meine Mutter weiß Gott wie oft bekniet, es mir zu kaufen, sie dieses aber immer mit: „Ein Stück Wäscheleine tut’s auch“, abgetan hatte. Meine Freude war so groß! Aber Seilspringen ist gar nicht so einfach, das musste ich schmerzlich feststellen. Anfänglich verhedderte ich mich ständig, fiel auch oft auf die Nase, aber ich gab nicht auf, und sprang und hüpfte bald wie eine kleine Artistin – vorwärts, rückwärts, über Kreuz – ganz leicht, ganz mühelos.
Vivat, Vivat

